Warum bellen Hunde?

Alle Hunde bellen, die einen weniger, die anderen umso mehr. Und so mancher Hundehalter fragt sich mitunter schon fast verzweifelt: Warum bellen Hunde so viel? Und was wollen die eigentlich damit „sagen“? Wenn Hunde nur untereinander und miteinander „reden“, dann bellen sie wenig bis gar nicht. Wenn zwei Hunde sich frei laufend und ganz alleine irgendwo treffen, dann wird erst mal auf Distanz und ganz stumm geguckt, sich präsentiert, sich gegenseitig abgeschätzt: „Wer bist du?“ Ist das „Gespräch“ mit dieser gegenseitigen Musterung nicht beendet, dann kommt man sich näher. Dann wird gerochen, geschnuffelt, geschubst, gerempelt und gedrängelt. Nase, Ohren, Kopf, Schwanz und Füße sind immerzu in Bewegung, reagieren auf jede Bewegung des anderen. Und nebenbei wird noch gefiept, gemauzt, gejankert, gekmurrt, geknurrt. Wenn Hunde mit Hunden „reden“, dann reden und antworten sie mit allen ihren Sinnen und auf vier unterschiedlichen Kommunikationsebenen gleichzeitig: Sie sehen und riechen, sie hören und fühlen. Und so wie sie mit ihresgleichen reden, so reden sie – eigentlich – auch mit uns Menschen. Nur: Wir Menschen sind keine Hunde. Unsere Nase ist – gemessen an der Hundenase – eine glatte Fehlkonstruktion. Körperkontakte und Rempeleien sind uns eher lästig bis unangenehm. Und unsere Augen sind auch keine „Jäger-Augen“, die schon die kleinsten Bewegungen wahr- und ernst nehmen. Unsere Augen sind „Früchtesammler-Augen“: Wir sehen und fixieren den roten Apfel am Baum, die weiße Blesse auf der Hundebrust, den wunderschön über den Rücken gerollten Schwanz … und übersehen die kleinen schnellen Bewegungen der Blätter, der Hundenase, der Hundeaugen, der Hundelefzen. Aus Hundesicht sind Menschen also ziemlich schwerfällig im Verstehen und Reagieren, und mit Sicherheit kann man sie eigentlich nur über den akustischen Kanal erreichen. Weshalb kluge Hunde, die ihrem Menschen schnell etwas sagen wollen, dann auf diesen akustischen Kanal übergehen … und bellen. Bellen können alle Hundearten, vom Wolf bis zum Fuchs. Und sie tun das auch, mal mehr, mal weniger. Haushunde bellen – üblicherweise – mehr als „Wildhunde“. Aber nicht alle Hunde bellen gleich viel und gern. Es gibt Rassen, die verbellen alles, was sich bewegt. Es gibt Rassen, die bellen nur, wenn wirklich was los ist. Und es gibt Rassen, die bellen noch nicht einmal dann.
Doch die Bellfreudigkeit ist nicht nur angeboren. Sie ist auch von der Umwelt abhängig. Verwilderte Hunde, die den Kontakt zu Menschen verloren haben, gewöhnen sich das Bellen ganz schnell wieder ab. Und eingefangene „Wildhunde“ lernen es in menschlicher Umgebung genauso schnell. Deshalb wird ja auch immer wieder behauptet, Bellen sei im Grunde nichts anderes als ein „Domestikationsmerkmal“: Hunde, so sagt man, haben im Laufe ihrer Haustierwerdung (=Domestikation) „ganze Bereiche ihres natürlichen Ausdrucksvermögens verloren“. Sie bellen nur noch, weil ihnen diese Art des „Sprechen“ durch den Menschen angezüchtet worden sei. Und das, was sie „sprechen“, das hat ein amerikanisches Forscherteam untersucht und herausgefunden: Hunde, die bellen, geben nur immerzu „widersprüchlichen Wortsalat“ von sich, sie sagen in einer Tour nichts als: „Kommhergehwegkomm-hergehwegkommhergehweg …“
Doch dieses „Kommhergehweg …“ ist nur für uns Mensch „widersprüchlicher Wortsalat“: Unter Hunden ist es durchaus verständlich und auch absolut ernst gemeint. Unter Hunden ist Bellen ein „Notsignal“, das in die Ferne wirkt. Es ist nur möglichst selten und nur von Erwachsenen benutzt. Und seine doppelte Bedeutung ist Absicht: Ein Hund, der bellt, ruft alle erwachsenen Rudelmitglieder von weit her sofort zusammen: „Kommt her!“ und scheucht alle Welpen sofort zurück und in Deckung: „Geht weg!“ Und wer je ein einigermaßen natürliches Hunderudel beobachten konnte, der kennt dieses Notsignal und seine unabdingbaren Folgen: Die erwachsenen Rudelmitglieder kommen sofort und verteidigungsbereit in vorderster Linie zusammen, die Welpen dagegen flüchten – im Affenzahn und ins Gras geduckt – ab in die sichere „Höhle“ …
Aber: Alle Signale, die Hunde (auch „Wildhunde“) beim Reden mit ihrer Umwelt einsetzen, sind nicht einfach angeboren, und fertig. Sie müssen geübt, ausprobiert, in ihren Auswirkungen gelernt werden. Und auch das Bellen, das dem-anderen-Bescheid-Sagen, müssen Hunde erst einmal lernen:
Welpen bellen noch nicht. Sie haben ja im Hunde-Rudel auch noch „nichts zu sagen“. Aber wenn sie dann irgendwann ganz zaghaft ihren ersten Beller von sich geben, dann lernen sie auch ganz schnell, ob und wie sie ihr Rudel damit „manipulieren“ können … Bellen ist also eigentlich eine Art Sprache, die der Verständigung über größere Distanzen dient: Man ruft dem Partner eine Information zu und wartet auf dessen Antwort. Menschen, die ihren Hunden zuhören, lernen diese Sprache mit der Zeit und wissen dann immer: „Aha, der Postbote … oder Nachbars Katze … oder der Nachtbar persönlich!“ Menschen, die ihren Hunden zuhören, antworten dann, so oder so. Und schon stellt der Hund sein Nachrichten-Gebet ein.
Wird seine Nachricht „Da ist wer, komm her!“ allerdings nie zur Kenntnis genommen, bekommt er immer nur die gleiche Antwort: „Ach, halt doch die Klappe!“, dann stellt ein „verantwortungsvoller“ Hund sein Nachrichten-Geben aber mit der Zeit nicht einfach ein. Dann stellt er mit der Zeit nur seinen „Sender“ lauter: Dann bellt er, statt zu bellen. Wird diese Nachricht allerdings immer missverstanden als „Da bin ich, komm zu mir!“, dann kann ein kluger Hund dieses eigentlich eher selten benutze Warnsignal auch umfunktionieren: Dann wird Bellen zur Spielaufforderung, zum Zeichen reiner Lebensfreude oder … von Langeweile …
Nein, Bellen-wegen-nix-und-wieder-nix, das ist kein angeborenes „Domestikationsmerkmal“. Das ist ein Zeichen mangelhafter Verständnis zwischen Mensch und Hund. Und wenn das Gebell Ihres Hundes Sie nervt, versuchen Sie es doch mal anders: „Bellen“ Sie nicht mehr einfach mit oder gegen. Vermeiden Sie jedes laute Wort. Flüstern Sie nur noch, und sprechen Sie mit Ihrem Hund lieber drei Tage lang noch „Taubstummensprache“. Sie werden staunen, wie schnell ihr Hund sich umstellt …

Ihre Hundetrainerin Sabrina Franzkoch

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